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Was tun?   Einführung · 10 Maximen · Tips · Lautschrift?

Was tun? Schreiben, wie man spricht: "Lautschrift"?

Eine Sprache korrekt zu schreiben, kann sehr schwierig und sehr leicht sein. Eine schwierige Schriftsprache ist bekanntlich das Englische: Nicht nur deutsche Schüler können davon "ein Lied singen", sondern auch und vor allem englische Muttersprachler: Anders als ausländische Englisch-Schüler lernen sie die Schreibung der Wörter ihrer Sprache in der Regel erst nach der Einschulung, also dann, wenn ihnen die Lautung und Bedeutung schon mehrere Jahre bekannt ist, und dabei können sie dann die richtige Schreibung ihrer Sprache kaum von der Lautung der Wörter ableiten, sondern müssen die komplett neu lernen. (Deutschen Schülern ist dies in gewissem Umfang noch möglich, chinesischen aber praktisch gar nicht.) Die Folge ist, daß deutsche Schüler durchweg besser Englisch rechtschreiben als englischsprachige Schüler!

Die Schreibung einer Sprache ist also prinzipiell dann am einfachsten, wenn ihre Zeichen – im westlichen Kulturkreis also die Buchstaben des Alphabets – nicht Gegenstände bzw. Inhalte, sondern Laute darstellen und wenn sich die Zeichen bzw. Buchstaben genau entsprechen. Wer so schreiben kann bzw. darf, wie er oder sie spricht, braucht nur einmal eine begrenzte Anzahl von Zeichen bzw. Buchstaben für die begrenzte Anzahl der Laute seiner bzw. ihrer Sprache zu erlernen und schreibt dann für den Rest seines bzw. ihres Lebens richtig.

Davon ist allerdings auch das Deutsche weit entfernt. Zum Beweis wird der letzte Absatz noch einmal in einer "Lautschrift" wiederholt, die sich aber hier nur auf die gängigen Buchstaben stützt (das unbetonte e wird durch ein "ë" dargestellt, das man vor Endkonsonanten auch ganz weglassen könnte) und daher bei weitem nicht die Präzision der Internationalen Lautschrift (IPA) erreicht:

dii schraibung aina schprachë ist alsoo dan am ainfachstën, wen iirë tsaichen – im westlichën kultuurkrais alsoo dii buchstaabën des alfabeets – nicht geegënstendë bzw. inhaltë, sondern lautë darstelën und wen sich die tsaichën bzw. buchstaabën genau entsprechën. wea soo schraibën kan bzw. darf, wii er oda sii schpricht, braucht nuur ainmaal ainë bëgrentstë antsaal von tsaichën bzw. buchstaabën füa dii bëgrentstë antsaal der laute saina bzw. iira schprache zuu erlernën und schraibt dan füa deen rest sainës bzw. iirës lebëns richtich.

Ein Schriftsystem, das sich nur an der Lautung orientiert, ist also auch für die deutsche Sprache nicht realisiert und auch kaum realisierbar, weil die Schreibung vieler Wörter abhängig vom jeweiligen Dialekt und sogar Idiolekt stark variieren und letztlich deren Verständnis sehr beeinträchtigen würde. Das gilt insbesondere für eine echte Lautschrift im wissenschaftlichen Sinne, da das Laut-Alphabet z. B der erwähnten IPA eine Reihe Buchstaben und diakritischer Zeichen (Akzente, Längungssymbole) umfaßt, die weder im bekannten deutschen Alphabet noch in internationalen EDV-Zeichensätzen enthalten sind. Wünschenswert im Sinne einer leichteren Erlernbarkeit für Schulkinder und ausländische Sprachstudenten ist also allenfalls eine stärkere Widerspiegelung der Lautung in der Schrift.

Typisch für die mißlungene "Rechtschreibreform" ist, daß diese gerade nicht eine stärkere Orientierung an der Lautung der Wörter fördert, die ja von fünf- und sechsjährigen Schülern halbwegs nachvollzogen werden kann, sondern im Gegenteil in etlichen Fällen von der (vermeintlichen) Abstammung (Etymologie) der Wörter ausgeht, die selbst vielen oder den meisten Erwachsenen nicht bekannt ist. Die zwangsreformierte Schreibung ist also auch eine schwierigere Schreibung.

Welche Konventionen einer "Lautschrift" würden das Erlernen der deutschen Rechtschreibung nun erleichtern? Die folgenden Regel-Beispiele sind nur theoretisch und in ihrer Gesamtheit keineswegs als Vorschläge einer alternativen Rechtschreibreform gedacht, denn sie würden bei aller Einfachheit der Schreibung einen brutalen Bruch nicht nur mit unserer orthographischen, sondern vor allem auch literarischen und kulturellen Vergangenheit bewirken, da dann das "Altdeutsche" von den Nachgeborenen nicht mehr gelesen und verstanden werden könnte.
    Die folgenden Regeln sollen vielmehr einerseits vor Augen führen, wie willkürlich auch die deutsche Rechtschreibung ist, und andererseits Anregungen für eine "hauseigene Schreibung" geben, mit der man z. B. solchen Zeitgenossen antworten kann, die glauben, ihren Mitbürgern die amtliche Falschschreibung zumuten zu müssen:

  1. Kleinschreibung: Diese stellt im Prinzip die harmloseste Variante einer "Lautschrift" dar, da sie der Tatsache Rechnung trägt, daß man einem Wort seine Groß- oder Kleinschreibung nicht anhört und es im Deutschen viel Unsicherheit hierzu gibt. In anderen Sprachen, etwa dem Englischen, Französischen, Spanischen etc., ist die Kleinschreibung der Regelfall, und auch in Deutschland hat es 1982 einen vielbeachteten Versuch gegeben, sie einzuführen. Kritik haben solche Fälle auf sich gezogen, aus denen man – freilich ohne Berücksichtigung des Kontextes – Mehrdeutigkeiten herauslesen kann: "ich habe liebe genossen" = 'liebe Genossen' oder 'Liebe genossen'?
        Es gibt zwei Varianten: die konsequente bzw. totale Kleinschreibung und die gemäßigte, die je nach Geschmack bzw. Konvention einer Schreibgemeinschaft die Großschreibung am Satzanfang sowie von Personen- und Institutionsnamen vorsieht. Neuerdings macht sich im eMail-Verkehr des Internets eine (wenn auch unregelhafte) Kleinschreibung breit.
  2. ai statt ei: Wer sich das Vogelei einmal langsam vorspricht, erkennt gleich, daß wir den Doppelvokal (Diphthong) nicht als [ei], sondern [ai] aussprechen. Das [ei] kommt nur in deutschen Dialekten und natürlich im Englischen vor, z. B. in make: "Made in Germany". Das Deutsche schreibt also hier überwiegend anders, als man es spricht; nur wenige Wörter werden phonetisch korrekt geschrieben (Hai, Kaiser, Mai, Quai), und einige von diesen machen durch ein geschriebenes ai auf einen Bedeutungsunterschied aufmerksam: "Leib – Laib", "Leichen – Laichen", "Seite – Saite". Diese Unterschiede werden aber auch durch den Kontext – auch den schriftlichen – klar, so daß es selbst durch eine – natürlich unerwünschte – Gleichschreibung hier kaum jemals zu Mißverständnissen kommen würde. Eine Lautschreibung von [ai] durch "ai" wäre also grundsätzlich durchaus plausibel.
  3. e statt ä: Wer Wortspiele wie solche mit "Erdbeeren, Brom- und Braunbären" kennt, der weiß, daß das geschriebene ä sich lautlich je nach Dialekt oder Sprecher nicht oder kaum vom geschriebenen e unterscheidet. Wörter wie der durch die Reform bekannt gewordene Stengel müssen also keineswegs anders ausgesprochen werden, wenn sie (fälschlich) mit ä geschrieben werden. Da es wenig Sinn macht, für denselben Laut zwei Schreibweisen zu praktizieren, macht es im Prinzip durchaus Sinn, alle äs durch es zu ersetzen. In einigen wenigen Fällen würden auch hier auf dem Papier Bedeutungen nivelliert ("Lerche – Lärche", "sehen – säen"), so daß einige Ausnahmen vertretbar erscheinen; andernfalls müßte man wieder auf die bedeutungsspendende Kraft des Kontextes vertrauen.
  4. Doppel- statt Längungsvokale: In der deutschen Rechtschreibung gibt es einige gängige Techniken, lang ausgesprochenen Vokale (Selbstlaute) und die mit ihnen assoziierten Umlaute zu kennzeichnen; bis auf die Verdopplung erscheinen sie willkürlich:
     Verdopplunghe
    [a]
    [e]
    [i]
    [o]
    [u]
    Waage
    Leere
     
    Boot
    Jahr, jährlich
    Lehre
    Ihre, Vieh
    froh, fröhlich
    Kuh(le), Kühle
     
     
    Vieh, Wiese
    Logisch ist eigentlich (wie im Niederländischen) nur die Verdopplung, denn ein ie wird ja nicht als Diphthong gesprochen. Wenn konsequent alle Vokale doppelt geschrieben würden, bräuchten Konsonanten nach kurzem Vokal nicht mehr verdoppelt zu werden:
  5. Einfachkonsonanten: Warum werden die Männer mit doppeltem n geschrieben, obwohl nur ein n gesprochen wird? Das Prinzip, nach einfachen, kurzem und betontem Vokal (Selbstlaut) den nachfolgenden Konsonanten (Mitlaut) in der Schreibung zu verdoppeln, ist zwar in europäischen Schriftsprachen durchaus verbreitet, aber deshalb noch längst nicht logisch oder plausibel.
  6. "schp" statt "sp", "scht" statt "st": Wenn Schulanfänger "Schpiel" statt "Spiel" schreiben, ist das durchaus logisch: Das s am Anfang von Spiel wird ja – außerhalb von Hamburg und anderen norddeutschen Gegenden – [sch] gesprochen, und zu Beginn von Stelle spricht man ebenfalls [sch]. Dieses Prinzip könnte (nicht sollte !) die Rechtschreibung durchaus übernehmen.

Fazit:

Eine "Lautschrift" wäre zwar deutlich "logischer" und grundsätzlich leichter zu erlernen als sowohl die konventionelle wie auch die Schulschreibung; als im gesamten deutschen Sprachgebiet einheitliche und langfristige Norm würde sie jedoch die dialektalen Unterschiede wie auch die Sprachdynamik mißachten und so zu einem Bruch mit unserer schriftlich überlieferten und gewachsenen Geschichte und Kultur führen. Folglich ist sie nicht praktikabel – außer natürlich aus Jux.

Wer die vorgestellten neuen "Lautschreibregeln" dennoch ernsthaft praktizieren möchte, könnte das gegenüber Mitmenschen tun, die ihm gegenüber die amtliche Rechtsschreibung verwenden; dabei sollte man aber schon aus Gründen der Fairneß genau darauf achten, daß man konsistent schreibt, d. h., daß man eine einmal gewählte Regel auch konsequent durchführt, um sich nicht dem Verdacht der Willkür oder Inkompetenz auszusetzen. Lange Vokale müssen dann nicht nur gelegentlich, sondern immer verdoppelt und Konsonanten immer einfach geschrieben werden, wenn dies ein Merkmal der eigenen "Lautschreibung" sein soll. Einfach ist im Computerzeitalter die Schreibung mit ai: Man läßt sein Textverarbeitungsprogramm einfach alle ei-Diphthonge durch ai ersetzen, wobei auf Groß- und Kleinschreibung zu achten ist.



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