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Sprach-Feminismus  Linguistik: "Sprach-Feminismus" (PDF-Datei)
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Das Ärgernis: "politische Korrektheit"

Planung, Begründung und Durchsetzung der "Rechtschreibreform" haben viel mit Ideologie, Besserwisserei, Inkompetenz, Politik, Machtgier, Gesichtswahrung etc. tun; die deskriptive Sprachwissenschaft (welche die Entwicklung einer Sprache objektiv dokumentiert, ohne in sie einzugreifen) bleibt auf der Strecke. Sprachideologisches Sendungsbewußtsein zeigt sich allerdings nicht nur in Bezug auf die Rechtschreibung unserer Sprache, sondern auch in der "politisch korrekten" Wortfindung:

Gendergerechte Sprache durch Gendern?

Während die vorgenannten Beispiele nur einzelne Wörter bzw. Lexeme anprangern, hat "politisch korrekte" Wortbildung, "um Frauen sichtbar zu machen", ein weitaus größeres Potential, Sprache zu verändern:

Nomen agentis und generisches Masculinum

Viele Hauptwörter (Substantive) bezeichnen menschliche Gruppen: Berufe, Nationalitäten, Religionen etc. Die meisten dieser Personenbezeichnungen wurden von einem Tätigkeitswort (Verb) bzw. einem Substantiv abgeleitet, indem eine Endung (Suffix bzw. Derivationsmorphem) angehängt wurde; man nennt sie Nomina agentis (Einzahl: Nomen agentis). Die häufigste Endung – gerade bei Berufsbezeichnungen – ist er. Vor allem diese Endung, aber auch die anderen in der folgenden Liste, werden oft als "männliche" Endungen interpretiert, da auch der Artikel der Personenbezeichnungen grammatisch "männlich" ist (und "folglich" die Personen selbst von interessierter Seite gerne als männlich verstanden werden):

Der Artist, der Dichter, der Fabrikant, der Kandidat, der Konsument, der Konsument, der Preuße etc.: Alle diese Personenbezeichnungen sind grammatisch "männlich", werden aber traditionell für beide biologische Geschlechter, also auch für Frauen verwendet. In der Linguistik wurde dafür der Begriff generisches Maskulinum eingebürgert, also eine grammatisch "männliche" Form, die als Oberbegriff – nämlich für das aus Frauen und Männern bestehende Menschengeschlecht – verwendet wird. Der Begriff ist ein Widerspruch in sich bzw. banal: Auf grammatischer Ebene kann das grammatisch "männliche Geschlecht" selbstverständlich nur sich selbst, aber nicht alle grammatischen "Geschlechter" zugleich bezeichnen; auf biologischer Ebene bezeichnet das grammatisch "männliche Geschlecht", wie gesehen, in der Regel beide biologischen Geschlechter – übrigens auch im Tierreich: Der Adler, der Dachs, der Igel etc. meint in der Regel beide Geschlechter – ebenso wie das grammatisch "weibliche Geschlecht": die Bekassine, die Eidechse, die Maus, die Ralle etc.
    Vor allem Frauenrechtlerinnen (Feministinnen) nehmen jedoch an den vermeintlich "männlichen" Personenbezeichnungen Anstoß und bestreiten, daß sie durch diese mitgemeint seien. Selbst der Mensch ist ihnen suspekt, zumal dieses Wort ja vom Manne abgeleitet sei. "Folglich" fordern sie parallel zu den "männlichen" auch "weibliche" oder "geschlechtsneutrale" Bezeichnungen, etwa neben Student auch Studentin und/oder Studierende. Ist diese Forderung etwa nicht gerechtfertigt?

Um einschätzen zu können, ob ein generisches Maskulinum wirklich als Bezeichnung einer biologisch männlichen Person verstanden wird, schauen wir uns zunächst in den folgenden sechs Sätzen das grammatisch "männliche" Wort Lehrer an; verwendet wird es einmal mit unbestimmtem Artikel (ein), dreimal mit bestimmten Artikel (des, der, der), einmal im Plural (hier ohne Artikel) und einmal verbunden in einem Kompositum:

Gefragt, welche dieser sechs Sätze Lehrer beiderlei Geschlechts und welche nur Männer meinen, antworten fast alle Leser, nur der dritte Satz meine einen Mann, die übrigen fünf aber Männer und Frauen. Auf der Suche nach dem Grund dieses Sprachempfindens fällt eines auf: Nur der dritte Satz meint einen bestimmten (mit Namen benennbaren) Lehrer, die anderen hingegen den Lehrer schlechthin ("generisch") – und deshalb auch alle Lehrerinnen. Warum aber sollten nur bestimmte Lehrer Männer sein – und warum sollten sie überhaupt Männer sein?

Der Sprachfeminismus greift generische Maskulina oft mit dem Argument an, psycholinguistische Untersuchungen (etwa durch Lückentexte zur Ermittlung geschlechtsbezogener Satzergänzungen) in Deutschland wie auch im angelsächsischen Raum hätten ergeben, diese sprachliche Konvention werde gar nicht generisch bzw. geschlechtsneutral interpretiert, sondern geschlechtsspezifisch zugunsten des biologisch männlichen Geschlechts: Durch dieses male bias würden Frauen im Falle grammatisch männlicher Berufsbezeichnungen "in geringerem Maße gedanklich einbezogen" als bei Nennung beider grammatischer Geschlechter. Folglich ließen sich Frauen durch generische Maskulina in Stellenangeboten leicht entmutigen – und Männer umgekehrt durch generische Feminina. Doch sind wirklich die "Generika" verantwortlich für mangelnde Traute und Diskriminierung?
    Falls ein generisches Maskulinum Frauen tendenziell entmutigte oder ausschlösse, dann müßte doch im Umkehrschluß eine unverdächtige, geschlechtsneutrale Formulierung beide Geschlechter automatisch gleichbehandeln. Tatsächlich trifft das nicht zu: Die Anklage "Die Menschheit richtet sich selbst zugrunde!" (durch Kriege und Naturzerstörung) trifft immer noch zu Recht eher den männlichen als den weiblichen Teil der Menschheit, und selbst wenn etwa im Falle eines Unfalls oder Verbrechens jemand ruft "Die Feuerwehr ist alarmiert!" oder "Die Polizei kommt gleich!" (beide Substantive sind grammatisch weiblich), so denken die meisten Menschen immer noch an männliche Feuerwehrleute oder Polizisten. Dies aber liegt nicht an einer sprachlichen, sondern einer gesellschaftlichen Konvention: Über Jahrhunderte war das Personal dieser Organisationen männlich, und das prägt. Es sind also nicht diskriminierende generische Maskulina, die Frauen benachteiligen, sondern (logisch unbegründete) soziale Traditionen. Die Lösung dieses Problems liegt nicht in totalitärer Sprachdiktatur, sondern in konsequenter Gleichbehandlung und Förderung von Frauen – auch durch gesetzlichen Zwang.
    Wäre die Kritik am generischen Maskulinum berechtigt, wäre es nur konsequent, auch fehlende rassische Neutralität zu kritisieren: Wer als Personalchef in Deutschland einen "Mitarbeiter" sucht, ist in der Regel immer noch überrascht, wenn sich ihm ein Schwarzafrikaner oder eine Chinesin vorstellt. Durch eine klassische Stellenanzeige werden also auch Ausländer "in geringerem Maße gedanklich einbezogen". Sollte eine Anzeige deshalb auch den "Migrationshintergrund", die sexuelle Orientierung etc. explizit ansprechen müssen?
    Daß sich Männer durch vermeintliche generische Feminina entmutigen lassen, hat übrigens einen einfachen Grund: Durch das Suffix in abgeleitete generische Feminina sind eine Erfindung des Sprachfeminismus (siehe unten), jeder Mann und auch jede Frau versteht unter einer Lehrerin oder Verkäuferin ausschließlich eine biologische Frau; kein Mann würde sich als Frau bewerben und keine Frau als Mann – außer vielleicht für eine Rolle im Film oder Theater.

Generisches Femininum

Wenn das generische Masculinum ein Widerspruch in sich bzw. eine banale Selbstverständlichkeit ist, dann gilt das natürlich auch für ein Generisches Femininum: Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Geisel oder die Waise, die Amsel oder die Ratte beide Geschlechter meint. Der Autor hatte folglich zunächst keinen Abschnitt über ein Generisches Femininum vorgesehen. Anfang Juni 2013 jedoch berichteten verschiedene Presseorgane über eine "Sprachreform an der Uni Leipzig", der Titel Professorin (ohne /, _, * etc.) gelte dort künftig auch für Männer; eine Fußnote bestimme, daß "diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt". Dies hatte der erweiterte Senat der Universität bereits Mitte April beschlossen, und Anfang Mai hatte auch das Rektorat zugestimmt. Wenn selbst deutsche Professoren (egal welchen Geschlechts) den Unterschied zwischen Sexus und Genus Genus und Sexus nicht kennen oder nicht wahrhaben wollen, so muß separat auch das Generische Femininum widerlegt werden:

Die Professorin bzw. Dozentin, Rektorin etc. ist durch das Suffix in als biologisch weiblich markiert. Diese Wortbildung (bzw. "Movierung") bewirkt dasselbe wie eigene Wörter für die Geschlechter von Haustierarten: die Sau, die Färse, die Kuh, die Stute sind ausschließlich weibliche Tiere, umgekehrt sind der Bulle bzw. der Stier, die Drohne, der Hengst, der Eber bzw. der Keiler etc. männliche Tiere. Niemand (oder etwa doch in Leipzig?) käme auf die Idee, diese Bezeichnungen generisch für beide Geschlechter zu verwenden: Eine Stute ist immer ein weibliches Pferd, so wie eine Frau immer ein weiblicher Mensch ist. Ebenso unsinnig wäre es folglich, mit Professorin beide Geschlechter bezeichnen zu wollen. Im Vergleich zu einer generischen Stute wäre eine generische Professorin allerdings doppelt widersinnig: Zunächst wird diese durch die Endung in biologisch weiblich markiert, anschließend soll diese Geschlechtsmarkierung wieder rückgängig gemacht werden, indem sie per Fußnote zwangsweise umgedeutet wird in eine vermeintliche Bezeichnung beider Geschlechter.
    Glaubt denn irgend jemand, diese Gedankenakrobatik könnte außerhalb des universitären Elfenbeinturms erfolgreich sein? Würde ein Bauer von einer Sau sprechen, wenn er auch 'Eber' meinte? Würde ein Jäger von Fähen sprechen, wenn er damit auch 'Rüden' meinte? Würde ein normaler Mensch mit Kauffrau auch einen männlichen 'Kaufmann' und mit Kommissarin auch einen männlichen 'Kommissar' meinen?

Sexus versus Genus

Es ist nicht schwer zu verstehen, daß das natürliche Geschlecht (Sexus) nicht mit dem grammatischen (Genus) gleichsetzbar ist: Zwar ist der Mann männlich und die Frau weiblich, aber die Fachkraft, die Geisel, die Heulsuse, die Hilfskraft, die Hofschranze, die Lusche, die Muse, die Person und die Waise sind nicht nicht unbedingt weiblich, die Drohne ist eine männliche Biene, der Tisch, Stuhl, Computer etc. sind nicht wirklich männlich, und das Mädchen und das Mitglied, das Pferd, Schaf etc. sind keineswegs geschlechtslos bzw. sächlich. Sexus und Genus stimmen also nicht überein. Auch sprachtheoretisch läßt sich das leicht begründen:

  1. Es gibt (wenn es gestattet ist, intersexuelle Identitäten einmal auszuklammern) zwei natürliche bzw. biologische Geschlechter: das weibliche und das männliche. Die deutsche Sprache verfügt hingegen über drei grammatische Geschlechter: Masculinum, Femininum und Neutrum; das Englische aber besitzt – abgesehen von den Fürwörtern (Pronomina) – kein Genus, das Französische wiederum zwei mit den Artikeln le und la. Wenn die Natur im Prinzip zwei natürliche Geschlechter hervorgebracht hat, die Sprachen der Welt aber unterschiedlich viele grammatische Geschlechter haben, dann können Sexus und Genus einander nicht entsprechen.
  2. Die Gleichsetzung etwa des männlichen Sexus mit dem "männlichen" Genus beruht auf dem Irrtum, Masculinum, Femininum und Neutrum hätten etwas mit 'Männlichkeit', 'Weiblichkeit' und 'Geschlechtslosigkeit' ('Sächlichkeit') zu tun. Der Artikel der ist ebensowenig "männlich" wie die Endung er in den Wörtern Arbeiter, Bauer, Dichter, Farmer etc. Der Irrtum wurde durch die statistische belegbare Tatsache begünstigt, daß z. B. die meisten auf er endenden Personenbezeichnungen mit Männern assoziiert wurden. Der Irrtum wäre aber wohl vermieden worden, hätte man die drei grammatischen "Geschlechter" (Genera) nicht analog zu natürlichen Geschlechtern benannt, sondern z. B. mit Farben: Männern hätte man die Farbe blau zuordnen können und Frauen die Farbe rosa (um einmal dieses Farbklischee zu bedienen), und das Neutrum wäre durch die Farbe grau ersetzt worden. Heute würden wir uns dann z. B. fragen, ob ein Virus grammatisch blau oder grau ist. Um der falschen Gleichsetzung von Sexus und Genus nicht Vorschub zu leisten, spreche ich fortan nicht mehr von Masculinum, Femininum und Neutrum, sondern abstrahierend meist vom m-Genus, f-Genus und n-Genus.
  3. Wird eine Tätigkeit als Hauptwort ausgedrückt (also ein Verb substantiviert), ist das Substantiv im Deutschen immer neutral: das Arbeiten, das Lernen, das Lesen etc.; einen logischen Grund für die Verwendung des n-Genus (des Neutrums) gibt es nicht, sie ist willkürlich. Wenn eine Tätigkeit personalisiert werden soll (wenn die Person benannt werden soll, die etwas tut), erhält der Stamm des Verbs die Endung er, ist etc. oder eine gleichbedeutende (s. o.), und die Person hat ganz überwiegend das m-Genus – und auch dieses ist willkürlich: der Arbeiter, der Bauer, der Dichter, der Fahrer, der Sänger etc., aber: die Geisel, die Hebamme, die Person, die Waise.
  4. Die häufige Assoziation solcher Nomina agentis mit Männern ist nicht naturgegeben, sondern beruht auf einer historisch stereotypen Eigenschaft solcher Berufe: Diese wurden lange Zeit (fast) nur von Männern ausgeübt. Das galt und gilt für die deutsche wie auch z. B. für die englische Sprache, deren Nomina agentis meist dieselben Endungen (er etc.) haben wie die deutschen Personenbezeichnungen, die aber nur den Artikel a bzw. the kennt: A miller, a teacher, the worker, the student, the therapist etc. ist kein Mann, sondern "nur" ein Mensch, der einen bestimmten Beruf ausübt, erst das entsprechende Fürwort (Pronomen), also he oder she, nennt das natürliche Geschlecht. (Einigen personalisierten Hauptwörtern wird das Geschlecht allerdings nur "angedichtet": sun: he, moon: she.)
        Im Deutschen hingegen gibt es drei bestimmte Artikel (der, die, das), und das begünstigt die Verwechslung des Artikels im m-Genus (also der) mit dem natürlichen männlichen Geschlecht: Es muß ja seinen (vermeintlichen) Grund haben, daß es der Dichter heißt, nicht (in der Einzahl) die Dichter oder das Dichter. Hätte der Dichter, Fahrer, Sänger etc. grundsätzlich das n-Genus (das Dichter, das Fahrer etc.), wäre das Problem der Verwechslung von Sexus und Genus gar nicht erst entstanden ...

Da sich gesellschaftliche Verhältnisse (zum Glück) ändern und Frauen zunehmend ihren gleichberechtigten Platz auch in der Arbeitswelt finden, besteht grundsätzlich die Chance, die Nomina agentis weiterhin geschlechtsunabhängig zu verstehen, also auf beide Geschlechter zu beziehen: Was im Englischen normal ist (the worker, the singer, the farmer etc.), ist auch im Deutschen möglich, wenn man sich der Tatsache bewußt ist, daß der Artikel der mit einem natürlichen Geschlecht nichts zu tun hat.
    Diese Chance wollte und will der Feminismus aber nicht nutzen: Statt in der realen Welt den Beweis zu erbringen, daß ein Fahrer, Kanzler, Manager, Pädagoge, Internist, Autor etc. selbstverständlich auch eine Frau sein kann, interpretiert er (der Feminismus) das m-Genus als biologisch männlich und verlangt eine weibliche Wortbildung mit dem Suffix in; neben der angeblich männlichen Form sei immer auch die weibliche zu nennen: die Kanzlerin, die Managerin, die Präsidentin, die Internistin etc. Diese Forderung liefert allerdings weitere Indizien dafür, daß Sexus und Genus nicht dasselbe sind:

  1. Auch wenn sie es ungern zugeben: Auch Sprachfeministinnen verstehen Personenbezeichnungen im m-Genus überwiegend geschlechtsneutral bzw. übergeschlechtlich: Arbeiterwohlfahrt, Kanzleramt, Schülervertretung, der Beruf des Lehrers, die Gesellschaft der Jäger und Sammler, kein Gitarrist spielt virtuoser, ohne Gärtner geht's nicht, Genius, Dummkopf etc.: Immer sind beide biologische (und auch intersexuelle) Geschlechter gemeint. Deutsche Nomina agentis mit der Endung in bezeichnen hingegen immer biologisch weibliche Personen.
  2. Die geschlechtsneutrale bzw. übergeschlechtliche Bedeutung der Personenbezeichnungen wird gestützt durch die Art ihrer Wortbildung: Der (männliche oder weibliche) Betreiber einer Farm ist bekanntlich ein Farmer und ein Gitarrenspieler ein Gitarrist etc. Würden die Endungen er und ist männliche Personen bezeichnen, dann sollte man annehmen, daß die eine Frau meinende Endung in nicht an eine vermeintlich männliche Endung angehängt wird (was gleichzeitig beide Geschlechter bezeichnen würde), sondern statt dieser direkt an Bau, Farm, Gitarre, Jura, Kunst etc.; das ergäbe dann: *Bäuin, Farmin, Gitarrin, Jurin, Künstlin etc. Natürlich nennt man solche Frauen Bäuerin, Farmerin, Gitarristin, Juristin, Künstlerin etc. – eben weil die Endung in an ein geschlechtsneutrales Nomen agentis angehängt wird.
  3. Die Kombination des geschlechtsneutralen m-Genus mit dem biologisch weiblichen f-Genus bedeutet eine Doppelnennung der Frauen: Erst werden diese implizit (zusammen mit Männern und intersexuellen Personen) ohne Endung genannt, dann explizit noch einmal mit der Endung inLehrerinnen und Lehrer bzw. Lehrer und Lehrerinnen sind genauso "doppelt gemoppelt" wie Menschen und Frauen. Gleichzeitig werden so intersexuelle Identitäten bewußt ignoriert und somit diskriminiert.
        Wollte man den Männern dieselbe Behandlung zuteil werden lassen, müßte man eine männlich zu deutende Endung erfinden und an die oben genannten Nomina agentis anhängen: Mit der Phantasie-Endung ar z. B. würden die männlichen Personenbezeichnungen dann lauten: *Bäuerar, Farmerar, Gitarristar, Juristar, Künstlerar etc., und mit der Phantasie-Endung on z. B. ergäben sich: *Bäueron, Farmeron, Gitarriston, Juriston, Künstleron etc. Auch für Intersexuelle wäre eine eigene Endung nötig.

Sexismus und Chaos

Der Glaube bzw. die Behauptung, Nomina agentis seien aufgrund des Artikels der nur auf männliche Personen bezogen, hatte und hat Folgen auf die Entwicklung der Sprache: In weiten Teilen der Gesellschaft greift eine Verunsicherung um sich, wie Personen korrekt zu benennen seien, ohne die weibliche Hälfte der Gesellschaft zu verprellen; die Akteure in Politik, Bürokratie, Vereinen etc., die solche Verunsicherung schüren, sind von demselben ideologischen Motiv getrieben, welches sie (explizit oder implizit) vermeintlich "konservativen" Kreisen vorwerfen: Sexismus. Je verunsicherter oder je ideologisch gefestigter Sprecher der deutschen Sprache sind, desto krampfhafter werden ihre Versuche, die vermeintlich "männlichen" Nomina agentis durch unverdächtige, "politisch korrekte" zu ergänzen oder zu ersetzen. Dafür gibt es zwei alternative oder sich ergänzende Strategien: Die vermeintlich männliche Form wird entweder bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch eine weibliche Form ergänzt oder aber durch eine geschlechtsneutrale Form ersetzt (man nennt das Movierung). Die Folgen dieser Spracheingriffe werden im folgenden untersucht:

A) Generisches Masculinum plus in-Suffix:

  1. Um beide Geschlechter zu nennen, arbeiten viele Autoren mit einem Feuerwerk aus Doppelnennungen, Klammern und Schrägstrichen sowie dem sogenannten großen Binnen-I: der Autor und die Autorin, die Autoren und die Autorinnen, der/die Autor/Autorin, die/der Autorin/Autor, der/die Autor/in, der/die Autor(in), der(die) Autor(in), der/die AutorIn, des/der Autors/Autorin, des/der Autor-s/-in etc. Die Klammern und Schrägstriche bleiben auf die Schriftsprache beschränkt, sie lassen sich nicht lesen bzw. nur durch komplette oder teilweise Doppelnennung aussprechen: Dem schriftlichen Ausdruck der/die Autor/in entspricht mündlich entweder der die Autor Autorin oder der Autor oder die Autorin. Für die Autoren/innen kann man sprechen: die Autoren und Autorinnen oder der Autor und die Autorinnen oder die Autorin und die Autoren oder auch die Autoren oder Autorinnen. Das ist genauso "politisch korrekt" wie verwirrend: Wenn der Schreiber noch wußte, was er meinte, so weiß es der Leser nicht mehr, also muß er alle möglichen Varianten (vor)lesen. Fast schon amüsant sind Schreibungen wie geehrte/r Kundin/e: Wer die beiden Schrägstriche und Endbuchstaben einheitlich interpretiert, liest "geehrte Kundin, geehrter Kundine".
        Die Nennung beider biologischer Geschlechter in einer Kunstschreibung mit Klammer, Schrägstrich oder großen Binnen-I versagt übrigens völlig in der Deklination vieler Nomina agentis, da sich die grammatisch männliche und weibliche Form nicht zu einer sinnvollen Buchstabenfolge verschmelzen lassen: Das Suffix (-e, -en) des generischen Masculinums kollidiert häufig mit dem in-Suffix der femininen Berufsbezeichnung, oder letztere erfordert einen Umlaut (ä, ö, ü) – oder könnte etwa jemand die folgenden Beispiele lesen?
    Nominativder/die Arzt/in
    der/die ArztIn
    der/die Biologe/in
    der/die BiologeIn
    der/die Chinese/in
    der/die ChineseIn
    der/die Jurist/in
    der/die JuristIn
    der/die Koch/in
    der/die KochIn
    Genitivdes/der Arztes/in
    des/der ArztesIn
    des/der Biologen/in
    des/der BiologenIn
    des/der Chinesen/in
    des/der ChinesenIn
    des/der Juristen/in
    des/der JuristenIn
    des/der Kochs/in
    des/der KochsIn
    Dativdem/der Arzt/in
    dem/der ArztIn
    dem/der Biologen/in
    dem/der BiologenIn
    dem/der Chinesen/in
    dem/der ChinesenIn
    dem/der Juristen/in
    dem/der JuristenIn
    dem/der Koch/in
    dem/der KochIn
    Akkusativden/die Arzt/in
    den/die ArztIn
    den/die Biologen/in
    den/die BiologenIn
    den/die Chinesen/in
    den/die ChineseIn
    den/die Juristen/in
    den/die JuristenIn
    den/die Koch/in
    den/die KochIn
  2. Was zwanghafte Doppelnennungen für die Kommunikation bedeuten, soll (wieder unter Vernachlässigung möglicher intersexueller Identitäten) am Beispiel eines Lehrerkollegiums erläutert werden: Der Satz Zwei Kolleginnen und Kollegen nehmen an der Klassenfahrt teil läßt sich wie folgt interpretieren: Wenn sich allerdings zwei Personenbezeichnungen aufeinander beziehen, so wird z. B. aus der Direktor und sein Stellvertreter langatmig korrekt der Direktor oder die Direktorin und sein Stellvertreter oder seine Stellvertreterin oder ihr Stellvertreter oder ihre Stellvertreterin.
  3. Doppelte Personenbezeichnungen im m-Genus und f-Genus verfehlen ihre psychologische Wirkung nicht: Wer immer wieder z. B. Verkäufer und Verkäuferinnen, Schüler und Schülerinnen liest und hört, kann, eine (noch) ungefestigte Sprachkompetenz vorausgesetzt, irgendwann den Eindruck gewinnen, ein Verkäufer oder Schüler sei tatsächlich biologisch männlich. So erklärt sich, daß der oben präsentierte Beispielsatz Der Lehrer verließ das Klassenzimmer als letzter im Deutschen oft das Bild eines Mannes erzeugt. (Englische Muttersprachler verstehen the teacher auch hier übergeschlechtlich.)
  4. Eingefleischte Sprachfeministen möchten sich nicht vorwerfen lassen, auf halbem Wege stehenzubleiben und nur einen Teil der generischen Masculina durch weibliche Formen zu ergänzen, also wagen sie sich auch an Komposita heran, z. B. an den Schülersprecher: Dieser bzw. diese muß dann einen dieser beiden stolzen Titel tragen: Schülerinnen- und Schülersprecher bzw. Schülerinnen- und Schülersprecherinnen oder Schülerinnen- und Schülersprecherinnen und -sprecher.
  5. Manchmal bietet sich die Gelegenheit, auf das generische Masculinum ganz zu verzichten und nur die scheinbar logische weibliche Form zu benutzen: Da Athletinnen nur Frauen sein können, kommt es zu Sätzen wie Frauen sind die ausdauernderen Athletinnen. Diese Aussage ist gerade deshalb unlogisch, weil alle Athletinnen Frauen sind; diese können nicht ausdauernder sein als sie selbst. Ein entwickeltes Sprachgefühl läßt also nur die Aussage zu: Frauen sind die ausdauernderen Athleten. Das gilt auch für die Erkenntnis: Der Dieb war eine Frau; die sprachfeministische Version, die Diebin war eine Frau, provoziert mit Recht die ironische Frage "tatsächlich?" Solche Beispiele beweisen erneut, daß die Nomina agentis im m-Genus geschlechtsunspezifisch sind.

B) Generische Synonyma und Wortbildungen:

  1. Generische Synonyma: Um beide Geschlechter nennen zu können, kann man manchmal auf ein anderes, aber gleichbedeutendes (synonymes) Wort zurückgreifen: Wenn der Fachmann seines vielleicht männlichen Geschlechts verdächtigt wird, stellt man ihm eine Fachfrau zur Seite, wogegen natürlich nichts einzuwenden ist; diese beiden zusammen sind dann Fachleute; gut, daß es die Leute gibt – es gibt sie auch z. B. als Eheleute, Kaufleute, Seeleute und Zimmerleute. Seit jeher üblich sind auch geschlechtsunspezifische Bezeichnungen mit dem n-Genus, etwa die Mitglieder. Dies hinderte allerdings Ende 2016 die nordrheinwestfälische Familienministerin Christina Kampmann nicht daran, die "Mitglieder/innen" diverser Landtags-Ausschüsse anzuschreiben, was als Mitgliederinnen (nicht etwa Mitgliedinnen) zu lesen wäre: Offenbar hält die Ministerin die Plural-Endung er für männlich ...
        Merkwürdig erscheinen geschlechtsunspezifische Wörter mit dem f-Genus, etwa die Fachkraft und die Lehrkraft sowie Fachkräfte und Lehrkräfte: Würde man die Argumentation des Sprachfeminismus ernstnehmen, müßte man unter solchen Kräften nur Frauen verstehen, denn es ist ja die Kraft, und auch Aufsichtspersonen dürften nur Frauen sein. Männer dürften oder müßten sich folglich diskriminiert fühlen und protestieren; noch hat sich allerdings kein Mann ausgeschlossen gesehen, wenn etwa die Tragkraft eines Aufzugs auf eine bestimmte Anzahl (weiblicher?) Personen beschränkt ist.
  2. Generisches Partizip Präsens: Das "Mittelwort der Gegenwart" sagt dem Laien ebensowenig wie Partizip Präsens; gemeint ist eine Wortbildung aus dem Wortstamm mit der Endung end: abschreckend, laufend, rührend etc. Wenn solche Wörter vor langer Zeit gebildet wurden, können sie als Eigenschaftswörter (Adjektive) verstanden und gebraucht werden: ein abschreckendes Gesetz, ermunternde Worte, fahrendes Volk, grundlegende Fragen, eine rührende Geschichte, schwerwiegende Folgen, unbedeutende Details etc. Die meisten "Mittelwörter der Gegenwart" bezeichnen allerdings aktuell ablaufende Ereignisse: bellende Hunde, kreischende Fans, laufende Verhandlungen, radfahrende Kinder, Reisende soll man nicht aufhalten, schlafende Hunde soll man nicht wecken etc.
        Längst (miß)brauchen Sprachfeministen das Partizip Präsens für ihre Zwecke: Da z. B. die Schüler angeblich die Schülerinnen und die Studenten angeblich die Studentinnen diskriminieren, werden sie durch Lernende und Studierende ersetzt. Diese haben in der Einzahl zwar weiterhin das m-Genus und f-Genus (der Studierende und die Studierende), vermeiden aber die Endung innen. Dieser grandiose Erfolg führt dann zu Sätzen wie: Viele Studierende protestierten heute vor dem Kultusministerium oder: Die Lehrenden verschoben ihre Vorlesungen. Kann man wirklich beim Studieren protestieren und lehren, ohne zu lehren? Sind Studierende nicht eigentlich Menschen, die gerade etwas studieren: etwa eine Zeitungsanzeige, den Grundriß eines Gebäudes, das Verhalten einer Tierart etc. – und ist ein Praktizierender ein Praktikant? Wie unsinnig ein generisches Partizip Präsens ist, beweist Anfang 2015 ein Satz einer Studienleiterin (selbst Germanistin) einer Volkshochschule über Schüler, die Unterricht in Schulabschlußkursen versäumen: "Fehlende Teilnehmende werden in gesonderten Listen pro Unterrichtstag erfasst." Kann man gleichzeitig fehlen und teilnehmen? Sollte das Partizip Präsens ernsthaft einmal als aktuelle Handlung und einmal als generisch zu verstehen sein? Wären auch teilnehmende Fehlende von dieser Gehirnakrobatik gedeckt?
  3. Partizip Perfekt: Dieses "Mittelwort der Vergangenheit" entspricht der Dritten Stammform, die jeder kennt, der die (unregelmäßigen) Verben der englischen oder deutschen Sprache lernt; im Deutschen beginnen sie meist mit ge: gebaut, gekauft, gesehen, getan etc. Als Ersatz für Nomina agentis im m-Genus und f-Genus wird es deutlich seltener verwendet als das Partizip Präsens, aber es kommt vor, etwa als Angestellte und Interessierte und als Verwitwete für Witwen und Witwer.
  4. Konsequenzen: Unglaubwürdig werden solche Wortbildungen nicht zuletzt dadurch, daß auch Sprachfeministen nicht ganz frei von Sprachgefühl sind und deshalb generische Wortbildungen keineswegs flächendeckend, sondern zunächst nur dort versuchen durchzusetzen, wo sie noch halbwegs akzeptabel klingen. Je weniger aber Partizipien in ihren Grundbedeutungen verstanden werden, je mehr Studierende etc. es gibt, desto weiter wird die Schmerzgrenze verschoben, und irgendwann entstehen Wortbildungen wie diese:
    Der Direktor und seine Stellvertreter   Der Dirigierende und seine Stellvertretenden
    die Lehrer und Schüler   die Lehrenden und Lernenden
    Dozenten und Studenten   Dozierende und Studierende
    Lehrlinge und Praktikanten   Auszubildende und Praktizierende
    Schauspieler und Sänger   Schauspielende und Singende
    Leser und Kritiker   Lesende und Kritisierende
    Friseure   Frisierende
    Fußgänger bzw. Passanten   Fußgehende bzw. Passierende
    Hersteller und Käufer   Herstellende und Kaufende
    Erfinder und Konstrukteure   Erfindende und Konstruierende

Fazit

Der Sprachfeminismus ist ein Irrweg – eine ideologisch belastete Wissenschaft ist keine, die "Rechtschreibreform" ist dafür ein Beleg. Das erschüttert aber seine Vertreter nicht in ihrem Glauben: Allein die Tatsache, daß diese Seite von einem männlichen Autor stammt, mag ihnen schon als Indiz patriarchalischer (quasi "maskulistischer") Engstirnigkeit etc. gelten: "typisch Mann!" "War ja nicht anders zu erwarten!"
    Dennoch besteht Grund zur Hoffnung: Der Sprachfeminismus ist nur ein Ableger des Kampfes um die Gleichberechtigung, dessen primäres Ziel sicher nicht in der Ergänzung einiger Wörter um das Suffix in oder ende liegt, sondern in uneingeschränkter Chancengleichheit: Längst erreichen mehr Frauen als Männer höhere und höchste Bildungsabschlüsse, immer mehr Frauen erreichen (wenn auch leider oft quälend langsam) die höheren Sprossen der Karriereleiter; das weibliche Selbstbewußtsein steigt, die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Verhaltensstereotypen schwächen sich ab – es gibt eigentlich allen Grund anzunehmen, daß sich die Erfolgsgeschichte der letzten Jahrzehnte fortsetzt. Warum also sollten erfolgreiche Frauen ihr Heil in feministischen Sprachverrenkungen suchen? Der Autor hegt daher die Hoffnung, daß sich der Sprachfeminismus schließlich als eine vorübergehende, quasi sprachpubertäre Zeiterscheinung herausstellt, vergleichbar mit der Kleider- und Haarmode der Jugendproteste der sechziger Jahre.
    Anlaß zur Umkehr sollte der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts Ende 2017 zum Personenstandsrecht sein: Wenn intersexuellen Menschen ein dritter Geschlechtseintrag im Geburtenregister zusteht, dann müßten doch Sprachfeministen zur Vermeidung von Diskriminierung "politisch korrekt" ein drittes Nomen agentis in ihr Sprachverhalten einführen! Wäre es da nicht besser, auf "Gendersprech" ganz zu verzichten?

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Web-Verweis: Einen weiteren, ausgezeichneten Beitrag zu diesem Thema gibt es von Arthur Brühlmeier: Sprachfeminismus.


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